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Klimaschutz braucht Ressourcenwende

PRESSEINFORMATION
24. November 20

re!source Stiftung e.V. diskutiert Lösungswege für Ressourcenschonung in der Bauund Immobilienwirtschaft

Digital planen, ressourceneffizient bauen und betreiben, nachhaltig investieren: Auf ihrer 3. Jahreskonferenz am 3. November 2020, die pandemiebedingt ausschließlich online stattfand, präsentierte die re!source Stiftung e.V. ein breites Spektrum innovativer Lösungsansätze zur
Bewältigung der komplexen Herausforderungen für die Umsetzung der Ressourcenwende in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Rund 200 Teilnehmer:innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft verfolgten die Vorträge und brachten sich mit ihren Fragen via Chat in die
anschließenden Diskussionen ein. Eines wurde deutlich: Klima- und Umweltschutz brauchen die Ressourcenwende in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Ein schonender Umgang mit Rohstoffen, Materialien und Energie ist unabdingbar. Echte zirkuläre Wertschöpfung ist sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich von hoher Relevanz. Zwar gelangt die Notwendigkeit einer Ressourcenwende immer mehr in das Bewusstsein der Akteur:innen, bis zur praktischen Umsetzung ist es allerdings noch ein weiter Weg. Zumal klare Rahmenbedingungen dafür weiterhin fehlen, auch wenn Ressourcenschonung mittlerweile eine zentrale Forderung in Positionspapieren der Parteien, in EU-Fahrplänen und im Green Deal der europäischen Kommission ist.

Öffentliche Hand soll mit gutem Beispiel vorangehen

In seiner Keynote stellte Florian Pronold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, fest, dass Klimaschutz in Kombination mit Ressourceneffizienz bislang noch nicht hinreichend betrachtet wird. In Foren und in Fachgesprächen sei Ressourcenschonung wohl immer wieder ein Thema. Die Kernproblematik, dass Gebäude für die Ewigkeit gebaut werden und der Gedanke, was am Ende des Lebenszyklus mit ihnen passiert, bleibe in der Planung jedoch unterausgeprägt. Ein weiteres Hindernis wäre die nach wie vor dominierende Sektorbetrachtung beim Klimaschutz. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass weder die öffentliche Hand noch private Investoren derzeit Ausschreibungen so gestalten, dass rezyklierbare und recycelte Materialien zum Einsatz kommen. Dringenden Handlungsbedarf sieht der Politiker in der längst überfälligen Einführung der Mantelverordnung und der Ersatzbaustoffverordnung, die es vereinfachen sollen, wiederaufbereitete Materialien im Baubereich einzusetzen. Er plädierte dafür, dass die öffentliche Hand mit gutem Beispiel vorangeht und in ihren Ausschreibungen klar vorgibt, Recycling-Baustoffe einzusetzen. Nur dann schaffe man einen entsprechenden Nachfragemarkt.

Wissenschaft macht Ressourceneffizienz messbar

Wegweisend für eine ressourcenschonende Baupraxis sind die Ergebnisse aus der Forschung zur zirkulären Wirtschaft für Bauwerke. Im Rahmen des Forschungskollegs Verbund. NRW, das seit 2016 erfahrene Wissenschaftler:innen und Doktorand:innen aus elf Disziplinen der RWTH Aachen University und der FH Münster vereinigt, wurden verschiedene Bewertungssysteme zur Messbarkeit von Ressourceneffizienz entwickelt: Mit dem Ansatz, die Recyclingfähigkeit von Baukonstruktionen zu kategorisieren, fand Matthias Schiewerling heraus, dass es stets die gleichen Elemente sind, die zu Problemen führen, etwa Beschichtungen wie Putze und Abdichtungsbahnen. Dabei kann schon eine leicht veränderte Konstruktion zu einer deutlichen Verbesserung beitragen. Was geschieht, wenn innovative Baukonstruktionen wie Holz-Beton-Hybrid-Decken Teil des alltäglichen Baugeschehens werden, hat Sebastian Halfmann untersucht. Er empfiehlt, die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Gewerken unbedingt zeitlich und kostentechnisch mit einzuplanen, um Schäden zu vermeiden, die höhere Kosten verursachen und womöglich zum Misserfolg des Bauprojektes führen. Die von Franziska Struck entworfene Methode beinhaltet den gesamten Lebenszyklus der Konstruktion.  Der Bedarf an natürlichen Ressourcen (Rohstoffe, Energie, Emissionen) sowie deren Kreislaufeignung bzw. -verhalten können so bewertet werden. Adjan Hansen-Ampah wiederum analysierte, wann ein Bauprodukt aus Sicht der beteiligten Akteure eine Innovation darstellt und stellte dabei fest, dass die für den Rückbau und die Demontage Zuständigen oftmals nicht in den Prozess zur Entwicklung eines neuen Verbundstoffes involviert sind. Zwei weitere Vorträge befassten sich mit dem Baustoff Beton: Lia Weiler zeigte die Chancen von Carbonbeton auf, der aufgrund seiner vorteilhaften Eigenschaften als „Quantensprung in der Baugeschichte“ gilt. Gleichzeitig betonte sie jedoch die Notwendigkeit diesen Baustoff über den Lebenszyklus zu betrachten und Lösungen für dessen Rückbau und das Recycling mit einzuplanen. Warum sich RC-Beton in Deutschland nur langsam durchsetzt – derzeit gibt es hierzulande lediglich 25 Hochbauprojekte – und welche Marktdurchdringung notwendig ist, untersuchte Dmytro Katerusha. Chancen der Digitalisierung nutzen. Vielversprechend sind die Möglichkeiten, die die Digitalisierung für die Ressourcenwende bietet: Das zentrale Anliegen der von Geschäftsführer Dr. Jan Tulke vorgestellten planen-bauen 4.0 GmbH ist die beschleunigte Einführung von Building Information Modeling (BIM), eine vernetzte Planungsmethode, die digitale Geschäftsprozesse entlang der Wertschöpfungskette Planen, Bauen und Betreiben begünstigt. Ebenfalls ein wertvolles Instrument ist das webbasierte Datenbanksystem des Instituts für Bauen und Umwelt e.V. (IBU) zur Erstellung, Verifizierung, Veröffentlichung und Weitergabe von Umwelt-Produktdeklarationen (Environmental Product Declaration, kurz EPD). Wie Andrea Untergutsch, Leiterin Verifizierung des IBU erläuterte, handelt es sich bei den geprüften nicht wertenden, sondern quantitativen Informationen zu Bauprodukten und deren Lebenszyklus, um ein Mittel der Umweltkommunikation gemäß ISO 14020 Typ III, die sich an Wirtschaftsakteure richten. Sie enthalten 31 obligatorische und sechs zusätzliche Indikatoren (ab 2023 ) zu Umweltwirkungen, Ressourceneinsatz, Abfallkategorie und Output-Flüssen sowie Toxizität und bilden die wesentliche Grundlage für die ökologische und ressourceneffiziente Planung von Bauwerken. Der Architekt Thomas Rau, Direktor der Madaster Foundation, eine niederländische gemeinnützige Stiftung mit dem Status eines öffentlichen Interesses, berichtete über die gleichnamige Cloud-Plattform, die den zirkulären Einsatz von Produkten und Materialien in der gebauten Umgebung ermöglicht. Leider sei Abfall Material, das noch in der Anonymität lebe. Würde man dem Material eine Identität geben, in dem man es registriert und dokumentiert, könnte Abfall im Bauwesen vermieden werden.

Für Immobilieninvestoren ist es drei Minuten vor Zwölf

Wie groß der Hebel der Finanzwirtschaft ist, um die Transformation, die sich in der Realwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit vollzieht, proaktiv zu begleiten, erläuterte Kristina Jeromin, derzeit Head of Group Sustainability bei der Deutschen Börse AG und Mitglied des Club of Rome, Deutschland, die sich 2021 für ein Mandat von Bündnis 90/Die Grünen für die kommenden Bundestagswahlen bewirbt. Im Wesentlichen gehe es darum, Transparenz herzustellen, denn nachvollziehbare Daten und valide Informationen seien der Schlüssel für verantwortungsvolle Investitions- und Kreditvergabeentscheidungen. Ergänzend zu den klassischen Finanzkennzahlen, über die Unternehmen von jeher berichten, um den unternehmerischen Erfolg zu bewerten, müssten künftig hochqualitative und standardisierte Daten zu sogenannten ESG-Kriterien (Environmental Social Governance) vorliegen. Auf europäischer Ebene biete der „Action Plan on Sustainable Finance“ mit der Taxonomie für den Bereich Klima erstmals ein Klassifikationssystem, das einheitlich definiert, was als nachhaltig gilt und in die Finanzierungsstrukturen einzubeziehen ist, so die Expertin. Franziska Schütze, Koordinatorin der Wissenschaftsplattform „Sustainable Finance“, ein Projekt der Universitäten Augsburg, Hamburg und Kassel sowie der Frankfurt School of Finance and Management und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) veranschaulichte, warum ein gemeinsames Verständnis in Bezug auf Nachhaltigkeitskriterien von Gebäuden, die eine wichtige Anlageklasse für Investoren und Banken sind, im Finanzsektor der EU unerlässlich ist: Immobilienkredite im Wert von über einer Billion Euro stehen in den Bilanzen deutscher Banken, das sind durchschnittlich 15 Prozent aller Bankbilanzen in Deutschland. Hinzu kommen Kreditlaufzeiten von bis zu 25 Jahren, bedingt durch die Lebensdauer von Gebäuden. Da sollte Transparenz zur Bewertung heutiger und zukünftiger Klimarisiken selbstverständlich sein. Ist sie aber nicht, konstatiert Stefan Baumbach, Leiter der Arbeitsgruppe Sustainable Finance der re!source Stiftung e.V.. Vor allem bei mittelgroßen Privatinvestoren spiele die Nachhaltigkeit von Gebäuden bei der Investitionsentscheidung so gut wie keine Rolle. Dabei lehre die jüngste Vergangenheit, dass es plötzlich zu bewertungsrelevanten Ereignissen kommen kann, mahnte der Finanzexperte, wie die Nuklearkatastrophe von Fukushima, die zum Atomausstieg und damit zu Stranded Assets (gestrandete Vermögenswerte) in der deutschen Energiewirtschaft geführt habe. Deutlich umsichtiger müssen institutionelle Immobilieninvestoren agieren, wobei der erwähnte „Action Plan on Sustainable Finance“ nur ein Baustein von vielen ist, so Jan von Mallinckrodt, Head of Sustainability bei der Union Investment Real Estate GmbH, eine der in Europa führenden Investmentmanager für Immobilien. Viel entscheidender ist für ihn die Umsetzung regulatorischer Anforderungen, wie die ab dem 10. März 2021 geltende Offenlegungsverordnung (verpflichtet Finanzmarktteilnehmer über den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken zu berichten) und die voraussichtlich ab Ende 2021 durchzuführende Nachhaltigkeitspräferenzabfrage (verpflichtet Finanzmarktteilnehmer dazu, Kunden danach zu fragen, ob sie ihr Geld nachhaltig anlegen wollen). Überdies ist das jeweilige nationale Risiko maßgeblich, das nicht CO2-konforme Gebäude für die Wirtschaftlichkeit bedeuten. Zudem limitieren Anlagegrenzen die Zahl der Projekte, die sich pro Jahr in einem Immobilienfonds befinden dürfen, was die umfassende Modernisierung mehrere Gebäude limitiert. Angesichts einer derart komplexen Gemengelage wäre es für institutionelle Immobilieninvestoren nicht fünf, sondern bereits drei Minuten vor Zwölf, um die Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen und so das Risiko „gestrandeter Vermögenswerte“ abzuwenden.

Klima- und Ressourcenpolitik muss auch ethische Aspekte in den Mittelpunkt stellen

Nicht minder anspruchsvoll sind die Herausforderungen einer sozialgerechten Energie- und Ressourcenwende. Im Gegenteil. Vielfältige Zielkonflikte erfordern integrierte Lösung, die ökologische, ökonomische und soziale Aspekte gleichermaßen berücksichtigen, was einer Quadratur des Kreises gleichkommt. Für Gloria Amoruso, Doktorandin am Lehrstuhl für  Umwelt und Klimapolitik an der Technischen Universität München, bedeutet eine sozialgerechte Ressourcen-/Energiewende im Gebäudesektor, dass Eigentümer genügend Anreize zum Beispiel für die energetische Modernisierung haben, dass die Miete bezahlbar bleibt und Mieter:innen wohnen bleiben können. Unter bestimmten Faktoren sind ressourcenschonende, klimafreundliche Gebäude und sozialgerechtes Wohnen auch kein Widerspruch, so die Wissenschaftlerin. Zum Selbstverständnis von Wohnungsgenossenschaften und landeseigenen Wohnungsgesellschaften beispielsweise gehöre, die Sozialverträglichkeit in der Planung energetischer Modernisierungsmaßnahmen mit zu berücksichtigen. Prof. Dr. Felix Creutzig, Leiter des Fachgebiets Sustainability Economics of Human Settlements an der Technischen Universität Berlin, gab zu Bedenken, dass die Einführung eines CO2-Preises zur Stärkung des Klimaschutzes zwar ein guter Weg ist, dass die preisliche Anhebung jedoch zu Belastungen führt, die gerade ärmere Haushalte treffen. Zentral bei solchen Klimaschutzinstrumente sei deshalb das Design. Nach Ansicht von Dr. Lukas Köhler, MdB, Philosoph und Sprecher für Klimapolitik der FDP-Bundestagsfraktion, müsse in der Klimapolitik viel mehr über Funktionen gesprochen werden. Dann wären Instrumente wie die Preissteuerung effizienter als der Eingriff in konkrete Technologien. Überdies gelte es das Vermieter-Mieter-Dilemma dahingehend aufzulösen, dass die CO2-Ersparnis beiden Parteien zugutekommt.

re!source Stiftung e.V. ist am Puls der Zeit

Nach über drei Stunden detaillierter Einblicke in die verschiedenen Handlungsfelder und lebhafter Debatten resümierte Rolf Brunkhorst, geschäftsführender Vorstand der re!source Stiftung e.V.: „Der politische Wille ist da. Die Auswirkung der notwendigen Ressourcenwende auch auf Klima- und Umweltschutz wird immer deutlicher. Die von der Wissenschaft präsentierten Beispiele zeigen, dass beste innovative Lösungen entstehen, wenn ein ganzheitlicher Ansatz gewählt wird. Auch digitale Tools stehen für die Ressourcenwende zur Verfügung. Was es jetzt braucht, ist ein Umdenken und Umsetzen in der Bau- und Immobilienwirtschaft.“ Ergänzend fügte Annette von Hagel, geschäftsführende Vorständin der re!source Stiftung e.V., hinzu: „Die Branche ist nur zukunftsfähig, wenn sie den Mut hat, neue Wege zu beschreiten, für die es bereits viele unterstützende Instrumente gibt. Abwarten ist also keine Option!“.

Informationen über re!source Stiftung e.V.:
Die re!source Stiftung e.V. ist eine unabhängige Allianz mit Mitgliedern aus Wirtschaft,
Gesellschaft, Wissenschaft und Politik. re!source entwickelt gemeinsame Ziele, Strategien und Prozesse zur Ressourcenschonung in der Bau- und Immobilienwirtschaft und kommuniziert diese an relevante Zielgruppen, insbesondere auch in Richtung Politik, Ministerien und Kommunen. Ausgangspunkt bildet die Erkenntnis, dass aufgrund begrenzter Ressourcen ein Vorgehen wie bisher auf Dauer weder ökonomisch, ökologisch noch sozial verträglich möglich sein wird. re!source möchte daher eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen durch Umsetzung einer echten zirkulären Wertschöpfung in der Bau- und Immobilienwirtschaft erreichen. Zugleich trägt sie zur kommunikativen Aufklärung des Themas in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bei.

Weitere Informationen auf der Webseite: www.re-source.com
Kontakt:
re!source gemeinnützige Stiftung e.V.
Ressourcenwende in der
Bau- und Immobilienwirtschaft
Postfach 311645
10707 Berlin
E-Mail: info@re-source.com
Web: www.re-source.com

Aluminium – Werkstoff für die Kreislaufwirtschaft

Aluminium – Werkstoff für die Kreislaufwirtschaft

Wir stärken das Interesse an nachhaltigen Wertstoffkreisläufen

Frankfurt, 20. April 2020 – Der AIUIF führt aktuell rund ein Drittel der in Deutschland anfallenden Aluminiumschrotte aus dem Baubereich einem geschlossenen Wertstoffkreislauf zu und fördert damit den energiesparenden, ressourceneffizienten und umweltgerechten Umgang mit Aluminium. Das Effizienz- und Klimapotential des Recyclings ist beim Werkstoff Aluminium besonders hoch. Gegenüber der Primärproduktion von Aluminium werden etwa 95 Prozent Energie gespart. Zugleich werden der Abfluss von Schrotten aus Deutschland sowie das Downgrading wertvoller Legierungen unterbunden. Im Interview spricht der AIUIF-Vorstandsvorsitzende Walter Lonsinger über aktuelle Entwicklung und Erfolge der Initiative.

Frage: Bauherren, Planer, Architekten sowie Bau- und Umweltverwaltungen pflegen teilweise Vorbehalte gegenüber dem Einsatz von Aluminium im Fenster- und Fassadenbereich. Stimmt das eigentlich noch?

Walter Lonsinger: Megathemen wie Klimaschutz und Ressourcenschonung definieren eindeutig neue Rahmenbedingungen. Energie- und damit klimaschonende Werkstoffe und Technologien werden eindeutig positiver bewertet. Das Prinzip der Kreislaufwirtschaft oder adäquate optimierte Recycling-Prozesse können schon bald zu den vorrangigen Politik-Strategien zählen. Ich glaube, wir stehen vor großen Umbrüchen, auf die wir uns rechtzeitig vorbereiten müssen.

Frage: Was heißt das?

Walter Lonsinger: Bei den angesprochenen Personengruppen handelt es in der Regel um Fachleute, die die konstruktiven, ästhetischen und ökonomischen Vorteile des Werkstoffs Aluminium kennen und wertschätzen. Andererseits stoßen wir bei insbesondere Bauherren, Nichtregierungsorganisationen oder in der öffentlichen Verwaltung nicht selten auf einen Wissens- und Kenntnisstand zu den ökologischen Aspekten des Werkstoffs, der der aktuellen Entwicklung und dem Stand der Technik deutlich nachläuft. Wenig bekannt sind vor allem die unterschiedlichen Qualitätsstufen des Recyclings.

Frage: Können Sie das konkretisieren?

Walter Lonsinger: Die Landeshauptstadt München möchte vorbildlich im Gebäudebereich sein. Dazu zählen der sparsame Umgang mit Rohstoffen und Energie und die Reduzierung von Umweltbelastungen. Ferner sollen gesunde Wohnverhältnisse geschaffen und günstige Energie- und Lebenszykluskosten erreicht werden. Für Baustoffe gilt, dass nur Materialien verwendet werden dürfen, die mit geringem Energieaufwand und geringen Schadstoffemissionen hergestellt, verarbeitet oder eingebaut werden, Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen nicht beeinträchtigen sowie umweltschonend unterhalten, wiederverwendet oder beseitigt werden können. Das Konzept verabschiedete der Stadtrat im Jahre 1995, seitdem sind diese Rahmensetzungen bei öffentlichen Gebäuden oder der baulichen Nutzung städtischer Grundstücke umzusetzen. Aber der Kriterienkatalog der Landeshauptstadt München für ökologisches Bauen umfasst auch konkrete Verwendungsverbote oder Verwendungseinschränkungen. Für Aluminiumbauteile heißt es wörtlich: Nicht zulässig (ist) insbesondere Aluminium im großflächigen Einsatz. Die Landeshauptstadt des Freistaats Bayern hat damit weit über die Stadtgrenzen hinaus den Eindruck vermittelt, dass der großflächige Einsatz von Aluminium im Baubereich unerwünscht ist. Die Formulierung „zum überwiegenden Teil aus Sekundäraluminium“ führte zu Unsicherheiten bei Ausschreibungen und Leistungsverzeichnissen.

Der AIUIF hat diese Aussagen zum Anlass genommen, über die Stadtbaurätin einen Dialog mit den zuständigen Dienststellen aufzunehmen. In mehreren intensiven Fachgesprächen konnte die Situation nun sowohl im Sinne der ökologischen Anliegen der Stadt wie auch aus Sicht des AIUIF zufriedenstellend gelöst werden. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung München brachte zum Ausdruck, dass die Verwendung von Aluminiumfenstern nicht als großflächiger Einsatz zu bewerten ist. In der Regel sind Pfosten-Riegel-Konstruktionen mit Aluminiumprofilen zulässig. Ungern gesehen wird die Verwendung von reinem Primäraluminium beispielsweise als vollflächige Fassade oder als Dachdeckung. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung empfiehlt in jedem Fall, vor Bauantragstellung einen Beratungstermin durchzuführen.

Frage: Also ein erfolgreicher Dialog?

Walter Lonsinger: Ja, zweifellos! Unsere Fachgespräche hatten ferner das Ziel, die Leistungen des AIUIF und seiner Mitglieder und Partner zu verdeutlichen. Es konnte dargelegt werden, dass die kommunale Bauverwaltung einen aktiven Beitrag zur nachhaltigen Umwelt- und Ressourcenpolitik erbringt, wenn sie die Leistungen des AIUIF und seiner Mitglieder sowie Partnerunternehmen aktiv unterstützt. Es bestand Einvernehmen in der Einschätzung, dass das optimierte Recycling von Aluminium und anderen Wertstoffen im Baubereich ausgeweitet werden muss.

Frage: Sie kennen sicherlich das Sprichwort, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer …

Walter Lonsinger: … deshalb setzen wir unsere Dialogstrategie fort, ganz aktuell in Berlin. Ende 2018 wurde in Berlin die Publikation „Standards für den Neubau von Schulen“ der Berliner Schulbauoffensive veröffentlicht. Herausgeber ist die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie. Dort heißt es: „Bei Außenfenstern sind Kunststoffkonstruktionen und reine Aluminiumkonstruktionen zu vermeiden. Abweichungen sind zu begründen. Holzfenster mit Aluschale sind zulässig.“ Begründungen oder Erläuterungen zu dieser Empfehlung wurden nicht gegeben.

Aufgrund des ressortübergreifenden Ansatzes und einer Vielzahl von Mitautoren war die Identifizierung geeigneter Ansprechpartner in Berlin für uns schwierig und zeitintensiv. Schließlich fanden wir in der Senatsverwaltung Umwelt und Beschaffung offene und interessierte Gesprächspartner, die uns die komplexe Entstehungsgeschichte des Leitfadens rekonstruieren konnten.

Der Berliner Senat legt verstärktes Augenmerk auf die Beschaffung umweltverträglicher Leistungen und Produkte. Das Berliner Abgeordnetenhaus hat mit dem bereits 2010 in Kraft getretenen Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz (BerlAVG) alle öffentlichen Beschaffungsstellen des Landes verpflichtet, bei der Beschaffung ökologische Kriterien unter Berücksichtigung von Lebenszykluskosten anzuwenden. Zudem wurde der Senat ermächtigt, eigene Verwaltungsvorschriften für ein umweltfreundliches Beschaffungswesen zu erlassen. Aufgrund dieser Ermächtigungsgrundlage hat der Berliner Senat 2012 die Verwaltungsvorschrift „Beschaffung und Umwelt“ beschlossen, die, so die Senatsverwaltung gegenüber dem an dem AIUIF, keine Beschaffungsbeschränkungen für Aluminium enthält.

Frage: Reicht das, um den Werkstoff in der praktischen Anwendung voranzubringen?

Walter Lonsinger: Die Berliner Senatsverwaltung lässt derzeit ein Leistungsblatt für die Umsetzung der oben genannten Verwaltungsvorschrift im Hinblick auf den Rückbau öffentlicher Gebäude in Berlin erstellen. Wir konnten zu einem frühen Zeitpunkt aufzeigen, dass ein prozessoptimiertes zertifiziertes Aluminiumrecycling ein wichtiges Element für den ökologischen und nachhaltigen Rückbau von Gebäuden ist. Die Gespräche werden fortgesetzt, um eine feste Verankerung des optimierten Recyclings in Verwaltungsvorschriften des Berliner Senats zu erreichen.

Frage: Sie bezeichneten eingangs die Kreislaufwirtschaft als Megathema. Was veranlasst Sie zu dieser Einschätzung?

Walter Lonsinger: Die neue EU-Kommission hat Ende 2019 den „Europäischen Grünen Deal“ vorgestellt. Angestrebt wird eine Klimaneutralität der EU bis 2050. Die Treibhausgasemissionen müssen nun deutlich schneller sinken, als bisher geplant. Gleichzeitig soll das Wachstum der Wirtschaft gewährleistet bleiben und ungünstige Wohlstandsverteilungen ausgeglichen werden. Bereits am 4. März dieses Jahres wurde der Entwurf eines europäischen Klimagesetzes vorgelegt, in dem das Ziel Klimaneutralität bis 2050 fixiert wurde. In der deutschen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 soll das Klimagesetz im Europäischen Rat verabschiedet werden. Zum Green Deal gehören etwa 35 weitere Einzelmaßnahmen. Zumindest zwei Handlungsfelder betreffen die Aktivitäten des AIUIF.

Frage: Welche?

Walter Lonsinger: Erstens Gebäude und Renovierung: Die Kommission will noch 2020 eine offene Plattform einrichten, die den Gebäude- und Bausektor, Architekten und Ingenieure sowie die lokalen Behörden zusammenbringt, um Energieeffizienz und Renovierungen zu stimulieren. Zweitens sollen nicht nur bei der Gestaltung von Gebäuden, sondern bei möglichst vielen Wirtschaftstätigkeiten die Belange der Kreislaufwirtschaft berücksichtigt werden. Für die klimaneutrale Wirtschaft sollen 100 Milliarden Euro investiert werden, davon die Hälfte aus dem EU-Haushalt. Eine Präzisierung des Programms soll folgen. Im Zentrum steht die Förderung von Wirtschaftssektoren mit geschlossenen Kreisläufen sowie niedrigem Energieverbrauch und geringen Emissionen.

Frage: Was bedeutet das für den AIUIF und seine
Mitglieder?

Walter Lonsinger: Wenn wie geplant, die Kreislaufwirtschaft ein zentrales Element der künftigen EU-Wirtschafts- und Klimapolitik wird, wird für den Einsatz von Aluminium im Bausektor die Arbeit des AIUIF massiv an Bedeutung gewinnen. Sowohl die Mengenentwicklung wie auch die Mitgliederzahl werden steigen, wenn Unternehmen ein prozessoptimiertes Recycling nachweisen müssen. Andererseits wird möglicherweise der AIUIF sein bisheriges Zertifizierungsmodell weiterentwickeln müssen. Wir planen zu diesem Zweck die Ausarbeitung eines Positionspapiers mit den Leistungen und Zielen des A/U/F im Hinblick auf den europäischen Grünen Deal und werden unseren Dialog mit ausgewählten Abgeordneten des Europäischen Parlaments ausweiten.